X-Tron Aktuell - Januar-April 2022

Unternehmen überdenken China-Strategie

Die strikte Lockdown-Politik der chinesischen Staatsführung sowie die damit verbundenen zunehmenden Lieferkettenstörungen hinterlassen auch bei ausländischen Unternehmen ihre Spuren. Gemäß Geschäftsklimaumfrage des European Union Chamber of Commerce in China (EUCC) betonen über 90 % der befragten Handelskammer-Mitglieder, dass Zero-Covid-Maßnahmen ihre Lieferkettenverbindungen beeinträchtigen. Ein fast ebenso hoher Anteil der Firmen berichtet von akuten Problemen bei der Beschaffung von Rohmaterialien und Zulieferung von Materialien für die Produktion vor Ort.

Etwa 60 % der befragten Unternehmen haben deswegen ihre Umsatzprognosen für das diesjährige China-Geschäft nach unten revidiert. Ein Viertel der Befragten erwägt aufgrund der anhaltend restriktiven Covid-Politik gar die Verlagerung von geplanten China-Investments in andere asiatische Länder. Damit hat sich der Anteil der ausländischen Firmen mit partiellen Abwanderungsgedanken oder Ressourcenverschiebungsplänen seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt.

 

Deutsche Industrie warnt vor Importstopp russischer Energie

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat vor einem Importstopp für Öl und Gas aus Russland wegen dessen Angriffskriegs in der Ukraine gewarnt. „Wir sollten alles tun, um diese Eskalation zu vermeiden, auch wenn das emotional vor dem Hintergrund dieser Bilder unendlich schwerfällt“, sagte BDI-Präsident Russwurm im ZDF. Es wäre naiv zu glauben, dass die Einnahmen Russlands aus dem aktuellen Verkauf von Öl und Gas an Deutschland „jetzt akut diesen Krieg finanzieren“, sagte er. „Putin hat aufgerüstet. Seine Panzer müssen nicht an eine Tankstelle fahren und dort eine Rechnung bezahlen.“ Andererseits falle es Deutschland schwer, seine Energieversorgung umzustellen, sagte Russwurm. „Der Bundeskanzler hat völlig Recht: Das ist nichts, was innerhalb weniger Tage passieren kann.“

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) warnen vor einem Gas-Importstopp. Sanktionen müssten gezielt sein, die Gegenseite unter Druck setzen und möglichst Schaden von der eigenen Wirtschaft abhalten, sagten deren Vorsitzende Dulger und Hoffmann in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Beim aktuell diskutierten Gas-Embargo sehen wir das nicht.“ Die negativen Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung wären ihrer Ansicht nach momentan in Deutschland höher als die in Russland. Folgen eines schnelles Gas-Embargos wären Produktionsstillstand, eine weitere Deindustrialisierung und nachhaltige Arbeitsplatzverluste. Um die Ukraine weiter zu unterstützen und den Druck auf Russland aufrechtzuhalten, brauche man jedoch eine stabile Wirtschaft.

Die wohl drastischste Warnung stammt allerdings von BASF-Chef Martin Brudermüller. Er nutzte die Hauptversammlung des Dax-Konzerns dazu, die beispiellosen Gefahren für seine Branche und sein Unternehmen zu skizzieren. „Wir würden eine sehr hohe Arbeitslosigkeit bekommen, viele Firmen würden pleitegehen“, sagte er. „Das würde zu irreversiblen Schäden führen. Im Klartext: Es könnte Deutschland in die schwerste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs führen und unseren Wohlstand zerstören.“ Stammsitz und weltgrößtes Chemiewerk Ludwigshafen müsste sogar komplett auf null heruntergefahren werden. Dadurch drohten Hunderttausende Arbeitslose plus Auswirkungen in der Versorgung.

 

Unterschiedlicher Umgang mit Rekordinflation weltweit

Die Inflationserwartungen in Deutschland sind auf den höchsten Wert seit Beginn der Erhebungen gestiegen. Wie die Bundesbank mitteilte, erwarteten die privaten Haushalte im April für den Durschnitt der nächsten fünf Jahre erstmals seit Erhebungsbeginn 5,2 Prozent Inflation. Die sogenannte „gefühlte Inflation“, also die im täglichen Leben beobachtete Teuerung, erreicht einer Studie der ING zufolge sogar schon 14 Prozent. Übertreffen die Inflationserwartungen aufgrund fehlenden Vertrauens die von der EZB als preisstabil definierten Teuerungsraten von 2 Prozent, drohen hohe Lohnforderungen, die wiederum die sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.

Tatsächlich ist die Inflationsrate in Deutschland im April überraschend stark auf den höchsten Stand seit 1981 angezogen. Viele Güter des täglichen Bedarfs weisen mittlerweile zweistellige Preissteigerungsraten gegenüber 2021 auf. Besonders stark verteuerten sich Heizöl mit 98,6 Prozent, Erdgas mit 47,5 Prozent und Kraftstoff mit 38,5 Prozent. Die rasch steigenden Preise beunruhigen die Verbraucher einer repräsentativen Umfrage von McKinsey nach zurzeit mehr als der Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie.

Neben Deutschland beobachten auch andere Länder eine enorme Inflation. Hier ein Auszug:

Trotz mehrerer drastischer Leitzinserhöhungen auf stolze 5,75 Prozent leidet Tschechien unter einer Teuerung von 14,2 Prozent – doppelt so hoch wie im Euroraumdurschnitt – und steuert auf eine Stagflation zu. In dieser Situation hat Präsident Zeman einen neuen Zentralbank-Chef berufen, der für das Gegenteil der bisherigen Linie steht und durch eine Politik des billigen Geldes verhindern möchte, dass die Wirtschaft abgewürgt wird.

„Tut mir leid, dass ich apokalyptisch bin“. Mit diesen deutlichen Worten hat Bank-of-England-Chef Bailey vor einer Teuerungsspirale gewarnt. Steigende Energie- und Lebensmittelpreise würden die Inflation noch weiter anheizen und zugleich zu einem »sehr großen Reallohnschock« und höherer Arbeitslosigkeit führen, glaubt er. Für April wird ein Anstieg der Teuerungsrate auf 9,1 Prozent erwartet. Wegen der steigenden Preise könnten zehn Millionen Haushalte nicht mehr genug Geld für Energie zur Verfügung haben und 250.000 sogar in extreme Armut abrutschen. Um dem Preisauftrieb Paroli zu bieten, setzt die BoE in ihrer bereits vierten Anhebung in nur sechs Monaten den Leitzins auf das seit 2009 unerreichte Niveau von einem Prozent hinauf. Dies sei alternativlos gewesen, versicherte der Zentralbankchef. Auf die Frage, ob er sich hilflos fühle, etwas gegen die steigende Inflation zu tun, sagte Bailey: »Ja.« Während die Opposition fordert, den Bürgern mit Soforthilfen unter die Arme zu greifen, setzt Premier Johnson auf Wirtschaftswachstum. „So groß auch unser Mitgefühl und unser Einfallsreichtum sein mag, wir können das Problem nicht einfach lösen, indem wir Geld ausgeben“, sagt der Premierminister. „Wir müssen aus dem Problem herauswachsen, indem wir Hunderttausende neue, hochbezahlte, hochqualifizierte Jobs im Land schaffen.“

In der Türkei ist die Inflationsrate abermals kräftig gestiegen – um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Erzeugerpreise verdoppelten sich im selben Zeitraum. Die Preise im türkischen Transportsektor – zu dem etwa Benzin gerechnet wird – zogen mit 105,9 Prozent besonders stark an. Aber auch Lebensmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich mit 89,1 Prozent überdurchschnittlich stark. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Inflation aufgrund des Ukraine-Kriegs noch bis Ende 2022 außergewöhnlich hoch bleiben wird. Viele Ökonomen geben auch dem Umstand, dass die Lira die im vergangenen Jahr fast die Hälfte ihres Werts eingebüßt hat, eine Mitschuld an der Entwicklung. Ihr Wertverfall steht wiederum im Zusammenhang mit einer Serie von Zinssenkungen der Notenbank. Dabei müsste sie nach Einschätzung der meisten Ökonomen die Zinssätze anheben, um die Währung attraktiver machen.

In den USA stiegen die Verbraucherpreise um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Treibstoffpreise sind auf dem neuen Allzeithoch von 4,37 und 5,55 Dollar pro Gallone Benzin und Diesel. Fed-Chef Powell räumt selbst ein, dass es schwierig werden wird, die Inflation mit steigenden Zinsen zu bekämpfen und gleichzeitig sicherzustellen, dass das Land nicht in eine Rezession schlittert. Ökonomen rechnen damit, dass die Fed den Leitzzins auf bis zu 5 Prozent anheben muss, um wieder Herr über die Inflation zu werden. Die Demokraten fürchten, dass sie ihre knappen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat verlieren könnten. Schließlich ist die Inflation für Amerikaner das wichtigste Wahlkampfthema für die Zwischenwahlen im November.

 

Die Geldpolitik der EZB als wesentliche Ursache der Euroraum-Inflation

Neben dem Ukrainekrieg und Fehlern der Bundesregierung in den letzten Jahren trägt auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer lockeren Geldpolitik eine enorme Mitverantwortung für die Preisexplosion. Die EB hätte die Option gehabt, die Inflationserwartungen frühzeitig einzufangen, ein konkretes Ausstiegsszenario aus den Krisenprogrammen zu entwerfen, erste Schritte einer geldpolitischen Straffung einzuleiten und diese zu kommunizieren. Stattdessen versuchten die Notenbanker, den seit letztem Spätsommer beobachteten Preisanstieg einfach wegzumoderieren. Dabei hat die EZB möglicherweise auch verkannt, dass sich die Ära der Globalisierung mit ihrem hochflexiblen Güterangebot, das das viele Zentralbankgeld seit 2008 gut absorbieren konnte, sich spätestens seit Brexit und Donald Trump dem Ende zuneigt.

Mit dem Ukrainekrieg wird die Eindämmung der Inflation nun noch schwieriger. Im Krieg verändert sich nämlich der Fokus der Notenbanken weg von Preis- und Finanzstabilität und hin zu Unterstützung bei der Staatsfinanzierung. So wurden beispielsweise die Notenbanken von England und Frankreich einst gegründet, um bei der oftmals kriegsentscheidenden Kriegsfinanzierung zu helfen. Heute heißt das: Die EZB muss jetzt dafür sorgen, dass kein Eurostaat Pleite geht. Besonders gut lässt sich das Dilemma an Italien ablesen. Dessen Schuldenberg ist so groß, dass er letztlich nur durch die Notenbank glaubwürdig abgesichert werden kann. Würde die EZB jetzt heftig auf die Bremse treten, um die Preisdynamik zu dämpfen und womöglich sogar beginnen, Anleihen in ihrem Besitz wieder auf den Markt zu werfen, könnte dies die Schuldentragfähigkeit Italiens massiv schwächen. Auch deshalb steuert die EZB erst im dritten Quartal auf eine Zinswende zu. Erhöhen bis dahin jedoch andere wichtige Währungsräume den Leitzins, wird die daraus resultierende Schwächung des Euro die Inflation weiter anfachen.

 

Auftritt beim CDU-Wirtschaftsrat

Am 14. Juni werden wir X-TRON bei einem Event des Wirtschaftsrats der CDU in großer Runde vorstellen – Details dazu folgen noch.

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